Deutschland verhindert Reform des Europawahlrechts
„Es ist ein Treppenwitz der deutschen Europapolitik, dass das neue Europäische Wahlrecht ausgerechnet an der Bundesrepublik Deutschland scheitert und für die Europawahlen 2019 nicht in Kraft treten kann“, sagt der Europaabgeordnete Jo LEINEN (SPD), der die Reform als Berichterstatter im Europaparlament bearbeitet hat, nachdem das Sekretariat des Rates das Parlament in einem Schreiben darüber informiert hat.
Nach der Europawahl 2014 gab es heftige Bemühungen aus Berlin, auf EU-Ebene ein neues Wahlrecht zu verabschieden und mit verschiedenen Verbesserungen auch eine europaweite Mindestschwelle für den Erwerb eines Parlamentsmandats einzuführen. Die Änderung des Europäischen Wahlrechts ist nach schwierigen Verhandlungen mit einem einstimmigen Beschluss aller 28 Mitgliedsländer im Rat am 18. Juli 2018 verabschiedet worden.
Aus Angst vor der eigenen Courage hat der Bundestag keine Ratifizierung eingeleitet. Jetzt wird das Gesetz in diesem Punkt frühestens bei der übernächsten Wahl 2029 seine Wirkung entfalten. Auch 2019 wird es in Deutschland wieder möglich sein, mit relativ wenigen Stimmen ein Mandat im Europaparlament zu erwerben, sodass auch der Vorsitzende der NPD wahrscheinlich erneut Sitz und Stimme im nächsten Europaparlament bekommt.
„Was macht Deutschland?“ Diese Frage wird in Brüssel oft gestellt, wegen der späten und oft sogar zu späten Reaktion aus Berlin zu europapolitischen Beschlüssen. Dass das Inkrafttreten des Europäischen Wahlrechts ausgerechnet an den beiden Ländern scheitert, in denen eine Mindestschwelle bisher gefehlt hat – Deutschland und Spanien (dort wegen Regierungskrise und Neuwahlen) – wird von vielen Partnern auf EU-Ebene mit Unverständnis und Kopfschütteln quittiert.