Großbritannien muss Verfassungskrise lösen
„Für die Europäische Union war es wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Weder die erneute Verlängerung des Brexit-Dramas mit der weiterhin möglichen Teilnahme Großbritanniens an den Europawahlen, noch ein ungeordneter Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU sind wünschenswerte Entwicklungen“, kommentiert der SPD-Europaabgeordnete Jo LEINEN, Sprecher der europäischen Sozialdemokraten im Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments, den Beschluss des Europäischen Rates, die Brexit-Frist bis maximal Donnerstag, 31.10.2019 zu verlängern. Die Briten dürfen auch früher austreten, sollten sie sich vorher einigen und das Austrittsabkommen mit der EU absegnen.
Premierministerin Theresa May kündigt für Donnerstag eine Erklärung im Parlament an. Großbritannien müsse die EU so schnell wie möglich mit einem Abkommen verlassen, sagt sie. Wenn die Vereinbarung vor Mittwoch, 22. Mai ratifiziert werde, müsse das Königreich nicht mehr an den Europa-Wahlen teilnehmen.
„Die Unfähigkeit der britischen Regierung, in den drei Jahren seit dem Brexit-Referendum zu einer Entscheidung zu kommen, hat die Nerven aller Beteiligten und der Bevölkerung überstrapaziert. Auch die weiterhin mögliche Teilnahme Großbritanniens an den Europawahlen bereitet vielen Europäerinnen und Europäern zu Recht große Bauchschmerzen“, so Jo LEINEN. Das erneute Zugeständnis der EU sei dennoch richtig. „Die Europäische Union reagiert auf das von innenpolitischen Kämpfen verursachte Chaos in London mit Pragmatismus und Verantwortungsbewusstsein. Der ungeordnete Austritt Großbritanniens aus der EU würde nicht nur die Wirtschaft und die Menschen auf beiden Seiten des Ärmelkanals hart treffen, sondern auch das Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf absehbare Zeit vergiften. Jetzt war nicht die Zeit, emotionale Entscheidungen zu treffen, sondern kühlen Kopf zu bewahren.“ „Die erneute Verlängerung ist verbunden mit konkreten Hoffnungen und Erwartungen. Die Politik in London muss die Atempause nutzen, um die Verfassungskrise in Großbritannien zu lösen und die innerstaatlichen Debatten über den Brexit endlich zu einem Ergebnis zu führen“, sagt Jo LEINEN. „Unter Umständen eröffnen sich durch das gründliche Nachdenken in Großbritannien über den Brexit neue Perspektiven wie ein zweites Referendum.“