07.02.18 13:35
„Die Konservativen haben die Wählerinnen und Wählern um eine zweite Stimme bei den Europawahlen betrogen. Die Abgeordneten von CDU und CSU haben sich an die Spitze der Kampagne gegen europaweite Wahllisten gesetzt. Aus kurzsichtigem Machtkalkül haben sie verhindert, dass alle Europäerinnen und Europäer direkt für einen der Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten stimmen können“, sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo LEINEN Mitglied des Verfassungsausschusses und Ko-Berichterstatter für die Reform des Europawahlrechts, nach der Abstimmung zur Sitzverteilung des Europäischen Parlaments nach dem Brexit. Der Vorschlag des Verfassungsausschusses, dass 27 der britischen Sitze für europaweit gewählte Abgeordnete verwendet werden sollen, wurde im Plenum am Mittwoch, 7. Februar 2018, von mehrheitlich rechtsnationalen und konservativen Kräften abgelehnt.
Allerdings habe eine Mehrheit im Europäischen Parlament in einer weiteren Abstimmung den Bestrebungen einiger Mitgliedstaaten, insbesondere der Visegrád-Gruppe, einen Riegel vorgeschoben, die Kontrolle über die Wahl des Kommissionspräsidenten zu kapern. „Es wird keinen Kommissionspräsidenten mehr geben, der sich den Bürgerinnen und Bürgern nicht als Spitzenkandidat zur Wahl gestellt hat. Der Lissabon-Vertrag ist eindeutig: Das Europäische Parlament wählt den Kommissionspräsidenten. Es ist unser gutes Recht, nur Kandidaten in Betracht zu ziehen, die den demokratischen Wettstreit nicht scheuen“, sagt Jo LEINEN.
Der mögliche Durchbruch für die europäische Demokratie blieb indes aus. „Die Gegner europäischer Wahllisten haben in Wahrheit Angst vor einem ‚Europe En Marche‘ des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Anstatt sich einer europaweiten politischen Auseinandersetzung zu stellen, ziehen CDU und CSU es vor, sich in die nationale Wagenburg zurückzuziehen, um ihre Pfründe zu schützen. Damit bestätigen sie die schlimmsten Vorurteile gegenüber der EU und spielen den Anti-Europäern in die Hände. Die Ablehnung europäischer Listen durch die Konservativen hat nichts mit Sachargumenten zu tun, sondern ist der Angst um den eigenen Einfluss geschuldet. Das ist fadenscheinig und inkonsequent“, kritisiert Jo LEINEN.
Die Europawahlen seien bisher lediglich die Summe aus getrennten Abstimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten – mit nationalen Regeln, nationalen Wahllisten und nationalen Wahlkämpfen. „Wenn wir unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit europäisch organisieren, kann die Demokratie nicht an den Grenzen der Mitgliedstaaten halt machen und ausschließlich national gedacht werden. Europäische Wahllisten hätten die Europawahlen von den nationalen Fesseln befreit und zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit beigetragen. Wer jetzt gegen europaweite Wahllisten gestimmt hat, darf sich nicht beschweren, wenn die Europawahlen als nationale Pseudo-Wahlen wahrgenommen werden und die Wahlbeteiligung weiter absackt“, sagt Jo LEINEN.
Weitere Informationen: Büro Leinen +32 228 45842 und Jan Rößmann +32 473 864 513 (Pressesprecher)